LVI Récits sur la vie dans les colonies allemandes après la levée des commandantures spéciales

Friedrich Schmidt :

"Als 1957*) für Vater die Zeit der Kommandantur vorüber war, wollte er keinen Tag länger in Krasnoturinsk bleiben. Die Erinnerung ans Lager, die schwere Arbeit im Aluminiumwerk und die starke Umweltbelastung – von all dem wollte er fort. Wie stark das Werk die Natur und das Leben der Leute belastete, zeigte sich besonders im Winter, wenn Schnee lag. Er färbte sich in kurzer Zeit ganz rot, vom Bauxit, das für die Aluminiumproduktion verwendet wurde.

Meine Eltern packten ihre Habseligkeiten zusammen und machten sich mit uns Kindern 1957 auf den Weg nach Saratow. Sie wollten wieder ins Wolgagebiet, von wo sie deportiert worden waren. Dort angekommen, erklärten ihnen die Behörden, dass sich die Russlanddeutschen nunmehr zwar frei im Land bewegen und ansiedeln dürften, aber dass das nicht für das Wolgagebiet gelten würde. Wir fuhren weiter ins Gebiet von Wolgograd, in die Stadt Kamyschin. Mein Vater erhielt dort eine Arbeit als Schmied in einem Betrieb der Eisenbahn. Doch der Hass gegen die Deutschen und die Russlanddeutschen war damals in diesem Gebiet noch sehr stark. Vater und Mutter wurden angefeindet und als "Faschisten" bezeichnet. Auch ich spürte die Feindschaft. In der Schule mieden mich die russischen Klassenkameraden und nannten mich nur den "Fritz". Offen sagten sie, dass ich verschwinden sollte. Die Lehrer schritten dagegen nicht ein.

Im September 1957 verließen wir Kamyschin und zogen nach Pawlodar in Nordkasachstan. Dort herrschte eine ganz andere Atmosphäre. Ein Viertel der rund 75 000 Einwohner waren deutscher Nationalität. In der Schule waren in meiner Klasse auch Kasachen, Tschetschenen, Tataren, Russen und Ukrainer. Die Nationalität spielte eine untergeordnete Rolle. Probleme im Umgang miteinander, wie ich das in Kamyschin erlebt hatte, gab es in Kasachstan nicht. Vater arbeitete in Pawlodar in einer Autoreparaturwerkstatt bis zu seiner Pensionierung."

Viktor Heidelbach :

"Manchmal werde ich gefragt, warum wir nach Aufhebung der Kommandanturzeit 1955/56 in Karaganda, dem Ort des Arbeitslagers, geblieben und nicht irgendwo anders hingezogen sind. Wohin sollten wir gehen? Eine gute Arbeit und eine ordentliche Wohnung zu finden war in der Sowjetunion immer ein großes Problem. Gewiss, die Arbeit im Kohlebergwerk war auch nach dem Krieg mit modernerer Technik schwer und gefährlich. Doch als Bergleute gehörten meine Frau und ich zu den angesehensten Arbeitern im Lande. Der Verdienst lag weit über dem Durchschnitt. In Karaganda hatte sich im Laufe der Jahre ein vielfältiges kulturelles Leben entwickelt. Es gab keine Spannungen zwischen Russen, Deutschen und anderen Nationalitäten. Wir lebten dort nicht schlecht. Ich qualifizierte mich in der Grubenakademie zum Elektroschlosser. Mit dem Erreichen meines 50. Lebensjahres 1976 bekam ich Rente."

Heinrich Dorn :

"Für meine Leistungen in den über zehn Jahren auf dem Kolchos habe ich im Januar 1957 den Lenin-Orden bekommen.

Einige Wochen später bin ich dann mit meiner Frau, meiner Mutter und unseren drei Töchtern aus Asorna weggegangen und nach Georgien übergesiedelt. Warum das? Die höchste staatliche Anerkennung und dann das Weggehen, wie passt das zusammen? Außenstehenden ist das sicherlich schwer verständlich. Ja, es stimmt, ich hatte Erfolg, besonders die Funktionäre oben erkannten meine Arbeit an. Unten jedoch bei manchem im Kolchos war es nicht ganz so. Häufig, wenn getrunken worden war, fiel der Ausdruck "Du Faschist".

Ich musste mir andere Beschimpfungen, offene oder hinter meinem Rücken anhören, die mich als Deutschen diskriminierten. Das hat mich immer sehr getroffen. War das bloß Neid? Oder steckte da mehr dahinter? Als die Kommandantur aufgehoben wurde und wir uns frei im Land bewegen durften, wollte ich mir das nicht mehr bieten lassen."

Source : http://www.russlanddeutschegeschichte.de