2.2.1. Kritik am Programm Schmollers

Sombart und Spiethoff konstatierten, dass die Wirtschaftsstufen keine völlig befriedigenden Werkzeuge bereitstellten. Als Analysebasis betrachteten sie die bedeutendsten Stufenbildungen: die Entwicklungsgrade der Nationen von Friedrich List, das in Natural-, Geld- und Kreditwirtschaft gegliederte Tauschsystem Bruno Hildebrands, die vier Stufen einer Volkswirtschaft nach Schmoller sowie Karl Büchers drei Perioden des Verkehrssystems. Die genannten Stufenbildner hatten ihre Vergleichsmerkmale in verschiedener Weise definiert und ihren Artefakt für unterschiedliche heuristische Zwecke benutzt. Daher erschien es problematisch, die Wirtschaftsstufenlehre als Ganzes zu beurteilen. Jedoch gelang es der neohistorischen Kritik, vier relevante Punkte zu isolieren.

Zunächst wurde die Willkür beim Bestimmen der Unterscheidungsmerkmale bemängelt. Ein Manko der Typologie Hildebrands bestand für Spiethoff darin, dass sie die Möglichkeit eines tauschlosen Wirtschaftszustandes aus dem historischen sowie logischen Blickwinkel übersah. Nicht nur chronologisch, sondern hauptsächlich nach einem logischen Kriterium solle man die Stufen voneinander abgrenzen, damit sie ein Bild interner Kohärenz ergäben. Zum Zweiten ließen sich die Merkmale mitunter nur schwer voneinander unterscheiden. Bei Schmoller waren die Stufen lediglich beschrieben, aber nicht begrifflich bestimmt. Zur Einteilung des Wirtschaftslebens zog er die „politischen Körper“ (Haus, Stadt, Korporation, Territorium, Volk und Welt) heran, ohne zu erläutern, wodurch sie sich voneinander abhoben. Zu fordern blieb hingegen, die Stufen durch ein klares Set gegensätzlicher Merkmale zu definieren. Drittens betrachteten die Stufenbildner häufig nur einen bestimmten Aspekt. List konzentrierte sich für seine Entwicklungsgrade auf die Gütererzeugung, empfahl jedoch basierend auf dieser Teilanalyse eine globale Handels- und Industriepolitik. So konnten die Möglichkeiten der Gesamtgestaltung des Wirtschaftsgeschehens nicht erfasst werden. In diesem Zusammenhang mahnte Spiethoff an, dass ein Stufenbildner systematisch denken müsse, damit seine Konzepte nicht aus einem eingeengten Blickfeld heraus erwüchsen. Schließlich solle das Ziel der Stufeneinteilung im Vordergrund stehen: Es sei nutzlos, Wirtschaftsstufen zu ordnen, wenn dadurch der theoretische Erkenntnisgegenstand nicht bereichert werden könne. 333

Die an der historischen Schule geübten Kritiken wurden von einem Wind getragen, den die Theorie-Anhänger der deutschen Nationalökonomie seit Kriegsende bis Anfang der dreißiger Jahre entgegenwehen ließen. 334 Das Lehrgebäude des Historismus war sicherlich nicht stabil genug, um diesen Sturm unbeschadet zu überstehen. Zerstört wurde es aber nicht, da die gleichen Autoren auch die reine Theorie von Menger mit ähnlicher Schärfe unter die Lupe nahmen.

Notes
333.

Spiethoff [1932: 903-907].

334.

Über diesen Wandel in der „reichsdeutschen“ Nationalökonomie vgl. Heuss [1994: 151-155].