2.3.3. Einbettung in die deutsche Tradition aber frühe Emanzipationssignale

Die Beschäftigung mit den Frühschriften Walter Euckens erlaubt, folgenden Schluss zu ziehen. Obwohl er sich niemals dazu äußert, bewegt sich der junge Walter Eucken im Rahmen des Programms der historischen Schule und dies nicht nur thematisch, sondern zu großen Teilen seiner frühen Arbeiten auch methodologisch. In seinen beiden monographischen Studien ist die gestellte Frage immer historischer Natur. Ihre Behandlung entspricht grosso modo den Anforderungen der historischen Schule: Das Problem wird stets als Ganzes betrachtet; vor der theoretischen Analyse werden auf statistischer Basis Fakten gesammelt; die Beobachtung hat Vorrang; die Untersuchung enthält immer auch eine Entwicklungsfrage.

Dennoch zeigt Walter Eucken sowohl in seiner Dissertation als auch Habilitation bereits Emanzipationsansätze gegenüber der historischen Schule. Ein ganzer Teil ihres Programms fehlt in den beiden Schriften aufgrund des Ignorierens der ethischen Komponente. Liegt dies an den gewählten Themen? Wahrscheinlich nicht, da ethische Gesichtspunkte im Kontext der Verbandsbildung durchaus Platz gefunden hätten. Es scheint also eher auf die Überlegungen des Autors zurückzuführen sein. Desgleichen lässt sich keine Kontinuität zwischen Empirie und Theorie feststellen, wie sie Schmoller so sehr gefordert hatte. Im Gegenteil, Euckens Gleichgewichtskonzeption, auf die man – ohne dass er explizit darauf eingeht – in seiner Habilitation stößt, entspricht jener der theoretischen Schule. Offenbar analysiert er lieber Fakten mit Hilfe theoretischer Sätze, als dass er Theorien mittels Faktenanalysen aufbauen möchte. Da er jedoch nirgends in seinen Frühwerken Stellung zur klassischen Nationalökonomie oder auch zu Menger nimmt, sind nur Interpretationen möglich. Insofern kann man hier noch an keiner Stelle herausfinden, dass Eucken die typischen von der historischen Schule erhobenen Vorwürfe gegen die österreichische oder klassische Nationalökonomie anerkennt. Des Weiteren entsprechen seine monographischen Studien nicht mehr der Stufenlehre von Schmoller; sie gehören allerdings auch nicht der Wirtschaftsstiltheorie an. Schon Euckens Habilitation weist auf eigene Überlegungen zur anzuwendenden Methode hin.

Der junge Walter Eucken ist dennoch eindeutig in die Tradition deutscher Nationalökonomie einzuordnen, wie sie zu seiner Zeit in Form des Programms der historischen Schule lebendig war. Mit seinem Erreichen des Professorenrangs, bleibt das Weiterleben der deutschen nationalökonomischen Tradition gesichert. Gleichzeitig ist ihre Weiterentwicklung vorprogrammiert. Letztere wird sich – wie der zweite Teil dieser Arbeit zeigt – durch die wirtschaftlichen sowie währungspolitischen Geschehnisse der zwanziger bis dreißiger Jahre in Deutschland zusätzlich intensivieren und beschleunigen.