1.3.1. Wirtschaftsphänomene nach Eucken: Die große Antinomie

Eucken zufolge begeht die rationalistische Methode ein Irrtum, wenn sie eine Hypothese „physikalisch-chemischer Natur“ zugrunde legt, um Wirtschaftsphänomene zu erklären. Gemäß dieser Vorstellung wiederholen sich alle Phänomene anhand ausgewählter Variablen beurteilt gleichförmig, was dem Naturwissenschaftler erlaube, sie nach allgemeingültiger Fragestellung und Vorgehensweise zu untersuchen. Im Gegensatz dazu, sagt Eucken, müsse der wirklichkeitsbemühte Wirtschaftswissenschaftler die mannigfaltige Gestalt des Wirtschaftslebens akzeptieren. Für die historische Schule habe es deswegen keine Erklärung durch allgemeine Gesetze gegeben, sondern nur durch individuelle Betrachtung jedes Phänomens. Doch auch sie habe falsch gelegen. Eucken stellt fest, dass in der Wirtschaft zwar ein „invarianter Gesamtstil“ zu erkennen sei. Ein Wirtschaftsphänomen – z.B. die Preisbildung auf dem Stickstoffmarkt – gestalte sich je nach Zeit und Ort aber jedes Mal anders. Bei der Untersuchung wirtschaftlicher Phänomene zeige sich, dass diesen gleichzeitig wiederkehrende sowie spezifische Elemente eigen seien – im genannten Beispiel spielen zu jeder Zeit und an jedem Ort die Marktformen eine Rolle. An einem Phänomen könne der Wissenschaftler folglich Kausalbeziehungen erkennen, die sich auch bei anderen Phänomenen wiederfanden. Zugleich könne er Besonderheiten isolieren, die eine eins-zu-eins „invariante“ Wiederholung dieser Beziehungen beeinträchtigten. Insofern stellt sich laut Eucken die Aufgabe des Nationalökonomen bei der Analyse von Wirtschaftsphänomenen gleichzeitig als ein „theoretisch-allgemeines“ und „historisch-individuelles“ Problem dar. Folgendes kennzeichne „die große Antinomie“ der Wirtschaftswissenschaft: Der empirische Ansatz à la historische Schule sei imstande, die Erscheinung des Realen zu beschreiben, könne aber aufgrund eines fehlenden Konzepts das Ineinander von Elementen nicht durchschauen. Die theoretische Methode hingegen sei fähig, die globale Kohärenz der Elemente zu begreifen, vermöge jedoch nicht herauszufinden, welche spezifischen Komponenten die theoretischen Gesetze modifizierten. 700

Dementsprechend wendet sich Eucken gegen die auf das „Individuelle“ fixierte Arbeit Schmollers und lehnt auch die am „Generellen“ orientierten Untersuchungen von Menger ab, um – so die Worte Carsten Herrmann-Pillaths – „ein endgültiges Fazit zum Konflikt zwischen Kontingenzdenken und theoretischem Absolutheitsanspruch formuliert zu haben.“ 701 Für Bertram Schefold erweist sich somit die synthetische Arbeit Euckens als „final end of the historical school.“ 702

Notes
700.

Eucken [1940: 15-23].

701.

Herrmann-Pillath [1987: 37].

702.

Schefold [1995b].