2.1. Fünf Dimensionen bei der Koordinierung von Wirtschaftshandlungen

2.1.1. Die Koordinierung als zentrales Wirtschaftsproblem

Der so genannte Prozess der Wirtschaftslenkung entsteht in modernen Gesellschaften aus einer Vielzahl individueller Handlungen, die auf den Präferenzfunktionen der Individuen basieren, wobei sich Letztere a priori kein exaktes Bild des gesamten Knappheitszustandes der Wirtschaft machen. Darüber hinaus verändern die Wirtschaftsagenten durch ihre Handlungen den Knappheitszustand, ohne dass sie in der Lage sind, seine Gesamtentwicklung zu lenken. Der Grund hierfür liegt einfach darin, dass sie nicht über die Fähigkeit verfügen, alle Konsequenzen ihres Handelns und desjenigen anderer zu beurteilen. Anders als in einer Robinson-Eigenwirtschaft kann der industrialisierte Wirtschaftsprozess nicht bewusst nach einem festen Schema gelenkt werden. 717

In solchen modernen Gesellschaften geht es bei Produktion und Verteilung von Ressourcen hauptsächlich um komplementäre Güter. Jede wirtschaftliche Handlung hängt also im Rahmen eines „gesellschaftlichen Gesamtprozesses der Wirtschaft“ von anderen ab. 718 Die finale Ressourcenallokation, die ein Gesamtgleichgewicht darstellt, ist das Ergebnis eines zeitlich und räumlich geordneten Prozesses, der je nach Bedürfnissen und vorhandenen Ressourcen variiert. Sie hat damit dynamischen Charakter. 719

Effiziente Ressourcenallokation beinhaltet das Problem der effizienten Ordnung dieses Gesamtprozesses, was letztendlich zum Problem der Koordinierung von Handlungen wirtschaftlicher Akteure führt, die danach streben, ihre Bedürfnisse bei begrenzten Ressourcen zu befriedigen. Walter Eucken möchte demzufolge eine bestimmte Ordnung finden, die es erlaubt, jene „Knappheit zu überwinden.“ 720 Für Karl Paul Hensel, früherer Assistent Walter Euckens, der in seiner akademischen Karriere die Ordnungstheorie weiterentwickelt, stellt sich das Problem in ähnlicher Weise: „Knappheit der Güter unseres Bedarfs, das ist Grundverhalt allen Wirtschaftens. Knappheit zu mindern, ist Sinn aller wirtschaftlichen Bemühungen. Die Wissenschaft vom Wirtschaftsleben [...] hat die Minderung von Knappheit als ihr Leitproblem zu betrachten.“ 721 Ob man Knappheit überwinden oder mindern möchte, macht für die zentrale Aufgabe der Ordnungstheorie keinen Unterschied, sondern bringt lediglich die unterschiedlichen Wohlstandsverhältnisse in Deutschland zu Zeiten dieser beiden Generationen von Ordnungstheoretikern zum Ausdruck.

Die Schwierigkeiten effizienter Koordinierung weichen bei der Ordnungstheorie allerdings vom walrasianischen Tâtonnement auf der Suche nach Gleichgewichtspreisen ab. Zwar gehört das Aufeinandertreffen von nachgefragten und angebotenen Mengen durch einen Preisvektor zur Problematik dazu, doch hat das Koordinierungsproblem in der Ordnungstheorie fünf Seiten:

[1] die Allokation von Produktionsfaktoren und die Entstehung von Produkten;

[2] die aus den eingesetzten Produktionsfaktoren resultierende Einkommensverteilung;

[3] die zeitliche Koordinierung der Bedürfnisse im Hinblick darauf, dass die Produktion Zeit erfordert. Dies ist dann mit der Frage nach Ersparnis und Investitionen verbunden;

[4] die Auswahl der Produktionstechnik bei einem gegebenen Stand der Technik;

[5] die räumliche Anordnung des Wirtschaftsprozesses. 722

Notes
717.

Ebd. 56-69.

718.

Eucken [1940: 6].

719.

Eucken [1948: 60].

720.

Eucken [1940: 6]; [1948: 62]; [1952: 100; 120].

721.

Hensel [1965: 5].

722.

Eucken [1940: 2-6].