2.1.3. Originalität der Problematik: Welcher Gleichgewichtstyp wird angestrebt?

Offensichtlich betrachtet die Ordnungstheorie das Problem des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts. Sucht man wie Eucken nach der effizienten Wirtschaftsordnung, impliziert dies, dass die effiziente Koordinierung aller Wirtschaftstätigkeiten überhaupt möglich ist. Ein Gleichgewicht dürfte also existieren – gemäß Standarddefinition verstanden als Zustand „in which the intended actions of rational economic agents are mutually consistent and can therefore be implemented”. 729 Darüber hinaus beschäftigt sich die Ordnungstheorie mit der Gesamtheit wirtschaftlicher Aktivitäten. Es wird nicht nach mehreren partiellen Marktgleichgewichten geforscht, wie Eucken eines auf dem Stickstoffweltmarkt suchte und analysierte. Vielmehr nähert sich der ordnungstheoretische Ansatz demjenigen eines Gesamtgleichgewichts an, wobei man sich als Variablen „l'ensemble des interdépendances qui résultent des choix des individus qui composent la société” gibt. 730

Die Frage nach einem Gesamtgleichgewicht wurde von den wirtschaftlichen Theorien sehr unterschiedlich zur Sprache gebracht. Das klassische Konzept darf z.B. nicht mit dem neoklassischen verwechselt werden. Eine Illustration des Unterschieds zwischen beiden Konzeptionen lieferte bereits die Darstellung der Divergenzen zwischen Smith und Ricardo in puncto Einkommensverteilung und Rentenlehre. 731 Die klassische Schule versucht, in der Koordinierung einen „elliptischen Kreislauf“ ausfindig zu machen, während Neoklassiker sich bemühen, die „ideale Kreisbewegung“ der Wirtschaft zu finden. 732 Die erstgenannte Denkrichtung betrachtet ein „offenes“ System, in dem exogene Variablen den Kreislauf beeinflussen – insbesondere die Einkommensverteilung. Demgegenüber ist die Zweitgenannte hauptsächlich auf der Suche nach einem System, das ebenso viele Unbekannte wie Gleichungen umfasst, so dass die Beziehungen zwischen den Variablen und damit das Gesamtgleichgewicht „geschlossen“ werden. 733

Welchen Gleichgewichtstyp strebt Euckens Ordnungstheorie an, ein offenes oder ein geschlossenes System? Wem nähert sich Walter Eucken am engsten an, dem schottischen Altmeister Adam Smith oder dem englischen Bankier David Ricardo?

Notes
729.

Hahn [1984: 44].

730.

Guerrien [1996: 192].

731.

Siehe Teil 1 Punkt 1.1.5..

732.

Schefold [1994: 38].

733.

Ebd.: 9-12.