4.1.2. Die regulierenden Prinzipien

Zwecks Anpassung der aktuellen Wirtschaftsordnung an die oben beschriebene Wettbewerbsordnung müssen degenerierende oder organisch entstandene Institutionen korrigert oder ganz aufgegeben sowie Marktschwächen überwunden werden. Folgende vier regulierenden Prinzipien ermöglichen den Übergang von der existierenden zur gewünschten Wirtschaftsordnung.

[1] Unerwünschte Wirtschaftsinstitutionen sind zunächst Monopole und Machtstellungen – nach Stackelbergs Muster der Marktformen – wenn sie nicht auf echten Kostenvorteilen beruhen. Es gibt zwei Arten von Monopolen: Privat- oder Staatsmonopole. Beide sollte man nicht systematisch verbieten, weil eine solche Regulierung sowieso scheitert. Eucken ist wie Schmoller überzeugt, dass spontan irgendeine rechtliche Form entstehen wird, um eine andere verbotene Form (z.B. Kartell) zu ersetzen. Vielmehr seien Monopole zu kontrollieren und zwar nicht durch Verstaatlichung oder Kontrolle durch ihre Arbeiternehmerschaft, sondern „die Monopolaufsicht sollte [...] einem staatlichen Monopolaufsichtsamt übertragen werden.“ Wie die zuständige Instanz für Währungspolitik sollte das Amt vor dem Einfluss von Interessenvertretern geschützt und auch unabhängig vom Wirtschaftsministerium sein. „Das Monopolamt hat die Aufgabe, Monopole soweit wie möglich aufzulösen und diejenigen, die sich nicht auflösen lassen, zu beaufsichtigen.“ Sobald wirtschaftliche Macht zum Erlangen einer Monopolstellung ausgeübt wird, wie. mittels Sperren, Treuerabatten, Preisdifferenzierungen, Kampfpreisen, usw., sollte das Amt agieren. Das Ziel der Monopolaufsicht besteht darin, Träger wirtschaftlicher Macht zu zwingen, sich „wettbewerbsanalog“ zu verhalten. Die Aufsichtsinstanz bedient sich dabei aller Mittel, die zur Wiederherstellung des Wettbewerbsrechts notwendig sind, und sie bekämpft jede Art von Wettbewerbsbehinderungen. Wenn erst einmal ein solches Monopolamt eingerichtet ist, wirkt es nach Meinung Euckens „prophylaktisch“, indem es Wirtschaftsagenten schon von dem Versuch abhält, Machtstellungen zu ergattern. 880

[2] Für den historisch geschulten Ökonomen Eucken ist die Verteilung des Sozialprodukts durch den Preismechanismus der vollständigen Konkurrenz zwar besser als eine andere, politische Lösung. Doch sie bleibt mangelhaft, weil daraus zu große Kaufkraftunterschiede resultieren können. Diese führen zu einer unerwünschten Lenkung des Kapitals. Die Produktion von Luxusgütern erfolgt bereits, wenn Güter des Grundbedarfs noch fehlen. Nach Euckens Dafürhalten sollte die Kaufkraft daher mit Hilfe einer progressiven Einkommenssteuer ausgeglichen werden. Grenzen für die Progression benennt er nicht, nur dürfe das Steuersystem wiederum die Investitionsneigung nicht beeinträchtigen. 881

Allerdings konnte Eucken den Abschnitt über die Einkommenspolitik wegen seines frühen Todes nicht abschließen und so verbleiben offene Frage, etwa den Verlagerungsmechanismus des Produktionsapparates von der Grundbedarfs- zur Luxusgüterindustrie betreffend. Eucken geht in seiner Argumentation von höheren Gewinnmargen in der Luxusgüterindustrie aus, weil dort die Nachfrage kaufkraftstärker ist. Dem lässt sich entgegenhalten, dass bei einem Nachfrageüberhang für Güter des Grundbedarfs deren Preise so lange steigen, bis die Gewinnmargen in beiden Sektoren gleich hoch sind. Demnach müsste Kapital in die Güterproduktion für den Grundbedarf zurückfließen und die Steuerpolitik überflüssig werden. Dass Eucken diesen dynamischen Prozess außer Acht lässt, mag damit zusammenhängen, dass seine Aussagen auf einer historischen Beobachtung beruhen. So waren in der Nachkriegszeit Grundbedarfsgüter in Deutschland knapp, während es ein Überangebot an bestimmten Gebrauchsgütern gab, wie elektrischen Lampen, Aschenbechern u.Ä.. Doch die ineffiziente Ressourcenallokation wurde in diesem Fall nicht durch ein Marktversagen verursacht, sondern durch Vorschriften der Besatzungsmächte, die eine Liste aller deutschen Produkte zusammengestellt hatten, die konfisziert werden konnten. Aschenbecher und elektrische Lampen fehlten auf jener Liste. In dieser historischen Analyse Euckens liegt eine theoretische Schwäche.

[3] Das dritte regulierende Prinzip betrifft negative externe Effekte. Eucken zitiert hier die Zerstörung von Wäldern in Amerika, Kinder- und Frauenarbeit sowie zu lange Arbeitszeiten. Die negativen Effekte hält er für eine Konsequenz der privaten Wirtschaftsrechnung, denn sie „berücksichtigt nicht die Rückwirkungen, welche die einzelwirtschaftlichen Pläne und ihre Durchführung auf die gesamtwirtschaftlichen Daten ausüben.“ Negative externe Effekte seien ein echter Systemfehler. Tatsächlich könnten sie nicht nur im Fall von Monopolen auftreten, sondern auch bei vollständiger Konkurrenz. Trotz dieser modernen Sichtweise erwägt Eucken nicht, wie man solche externen Effekte internalisieren kann. Seine Lösung, die zu allgemein gefasst ist, um hier mehr über sie auszusagen, sieht lediglich vor, in gewissen Bereichen die Planungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte einzuschränken. 882

[4] Mit seinem letzten regulierenden Prinzip verlangt Eucken eine Überwachung des Arbeitsmarktes, damit die Auswirkungen von Schwankungen der Arbeitsnachfrage oder von technologiebedingten Produktivitätszuwächsen auf die Angebotsseite – und mithin auf die Lohnhöhe – direkt erkannt werden. In den wenigen Fällen, in denen der Wettbewerbsprozess nicht zur Wiederherstellung eines Gleichgewichts führe, seien Korrekturen erforderlich, beispielsweise in Form der Festlegung eines Mindestlohns. 883

Notes
880.

Ebd. 921-299, Zitate S. 294.

881.

Ebd. 300-301.

882.

Ebd. 301-303, Zitat S. 302.

883.

Ebd. 303-304.