5.2.1. Ausdehnung des Analysegegenstandes auf die Dynamik der Ordnungen

Zentraler Gegenstand der Ordnungsökonomik ist die Ordnung im Sinne eines Regelbündnisses, innerhalb dessen alles wirtschaftliche Handeln stattfindet, aber auch als Ergebnis menschlichen Handelns, das unter Einhaltung bestimmter Regeln geschieht. Mit anderen Worten meint Ordnung sowohl die Ordnung der Regeln als auch die Ordnung als Folge von Handlungen. Diese Konzeption unterscheidet sich nicht grundlegend von Euckens Definition. Doch die Ordnungsökonomik ist in dieser Hinsicht präziser und führt zu einem neuen Forschungsobjekt: Untersucht werden neben der Effizienz auch die Entstehung und Durchsetzung von Ordnungen. 926 Etwas, das bei Eucken fehlte, da er die von Schmoller geforderten historischen Untersuchungen ablehnte. Ermittelt werden Möglichkeiten und Grenzen der Durchsetzung von Ordnungen unter Einbezug der damit zu erreichenden Ziele. Die Ordnungsökonomik geht dabei von einer Kontinuität zwischen Ordnungstheorie und -politik aus, insofern steht sie der Freiburger Schule nahe.

Dass sich die Ordnungsökonomik mit der Ordnung als Folge von Handlungen befasst, scheint sie auf den ersten Blick nicht wirklich von der klassischen Ordnungstheorie zu entfernen. Tatsächlich differenziert Eucken zwischen der konstruierten institutionellen Ordnung und jener, die sich aus der dezentralen Koordination individueller Handlungen ergibt. 927 Die beiden Ansätze unterscheiden sich aber in der Art, wie sie die zwei Typen von Ordnungen behandeln. Laut Eucken ist die aus Handlungen resultierende, d.h. die gewachsene Ordnung nur eine suboptimale Ordnung von Regeln, die es zu korrigieren gilt. Eine Analyse der gewachsenen Ordnung sei lediglich insofern gerechtfertigt, als damit die Diskrepanzen zwischen existierender und optimaler Ordnung erläutert und korrigiert werden könnten. Laut Hayek dagegen unterscheiden sich die zwei Ordnungsarten ganz wesentlich voneinander, weil ihr Entstehungsprozess nicht derselbe ist. Um zu verstehen, wie Wettbewerb funktioniert, sei daher eine Analyse beider Ordnungstypen nötig. Dies bedeutet, dass die Ordnungsökonomik mit ihrem Verständnis der gewachsenen Ordnung Euckens existierende Ordnung aus einer erklärenden in eine zu erklärende Variable verwandelt. Damit wird der Forschungsgegenstand auf die Untersuchung der Dynamik einer Wirtschaftsordnung ausgeweitet.

Notes
926.

Streit [1995: 3].

927.

Schmidtchen [1989: 164].