5.2.2. Neue Grundlagen für die Wettbewerbsordnung

Wie die traditionelle Ordnungstheorie trennt die Ordnungsökonomik zwischen zwei Wirtschaftssystemen. Die Zentralverwaltungswirtschaft ist durch eine geplante Handlungsordnung gekennzeichnet, die Marktwirtschaft durch eine spontane Handlungsordnung. Gemäß der traditionellen Ordnungstheorie können die einzelnen Akteure in einer spontanen Handlungsordnung die Interdependenz ihrer Handlungen nicht erfassen. Dementsprechend fungiert das Preissystem als Marktkoordinator. So wie Eucken, für den die beiden Wirtschaftssysteme nicht allein aufgrund des Koordinationsmechanismus sondern auch von ihren normativen Grundlagen her verschieden sind, stellt die Ordnungsökonomik ebenfalls einen normativen Unterschied fest. Streit verweist in diesem Zusammenhang auf Hayeks Abgrenzung zwischen dem „wahren und dem falschen Individualismus 928 und vermerkt, dass die zwei Systeme zu diametral entgegengesetzten politischen Gesellschaftsvorstellungen führen. In der Ordnungsökonomik wird die Diskontinuität zwischen Markt- und Zentralverwaltungswirtschaft noch deutlicher hervorgehoben als in der traditionellen Ordnungstheorie, was an der ausführlicheren Analyse des Themas liegt.

Eine weitere Abweichung von der traditionellen Ordnungstheorie betrifft die kognitiven Grundlagen von Ordnungen. Diese werden in Hayeks, nicht aber in Euckens Werken behandelt. Individuelle Entscheidungen sind „offen“, mit anderen Worten ist es immer möglich, während der Zeit zwischen Planung und Durchführung alternative Möglichkeiten zu entdecken. Dies bedeutet, dass der dezentrale Koordinationsmechanismus, d.h. das Wettbewerbssystem nicht mehr statisch ist. Demnach sind Größe oder Zahl der Akteure eines Marktes für die Wettbewerbspolitik keine relevanten Kriterien mehr, wie sie es einst für Eucken in Anlehnung an Stackelberg waren. Die kognitiven Grundlagen geben dem Wettbewerb eine dynamische Dimension und unterscheiden ihn damit klar vom Wettbewerb neoklassischer Theorien. Mit der kritischen Sicht des Wettbewerbs als Prozess der Informationsgewinnung wird deutlich, dass die Chancen, basierend auf einem Wettbewerbssystem eine ideale Ordnung zu erreichen, eher gering sind.

Notes
928.

Hayek [1948].