3.1. Die Ordnungstheorie ist keine rationalistische Theorie

Im Kern besagt Euckens Denken in Ordnungen, erstens dass wirtschaftliches Handeln von Institutionen wie Marktformen und Geldsystemen geprägt wird, deren besondere Konstellation die Wirtschaftsordnung bildet; zweitens dass die menschliche Gesellschaft in verschiedenen Ordnungen organisiert ist (Religion, Recht, Politik, Wirtschaft, etc.), die „interdependent“ sind. So beeinflussen Religion, Recht und Politik auch die Wirtschaftsordnung, aber nicht unmittelbar das wirtschaftliche Handeln. Letzteres wird von Eucken je nach Plandaten, Erfahrungsregeln und Wirtschaftsordnung theoretisch analysiert. Der Einfluss aller übrigen gesellschaftlichen Ordnungen ist das irreflektierte Produkt menschlicher Geschichte. Damit knüpft Eucken an die zwei ersten Aussagen der „Theoretical History“ von Smith an, 965 nämlich dass die Beziehungen zwischen Ordnungen nur institutioneller Natur sind. Demgegenüber lässt sich das Wirtschaftsverhalten der Agenten stricto sensu auf eine wirtschaftliche Rationalität zurückführen. Diese Position der Ordnungstheorie liegt weit entfernt von Schmollers geschichtlicher Untersuchung. Allerdings bereitet Euckens Denken in Ordnungen vom methodologischen Standpunkt des kritischen Rationalismus her einige Schwierigkeiten. Herrmann-Pillath vertritt sogar die These einer „frontalen Kollision der Methode Euckens mit der Konzeption des kritischen Rationalismus“. 966

Zum Ersten weist das Denken in Ordnungen eine starke Dichotomie auf, da es als doppelter Ausgangspunkt fungiert. Einerseits wird die Wirtschaftskoordinierung als theoretisches Gesamtgleichgewicht aufgefasst. Andererseits werden die Wirtschaftsstrukturen und deren Entwicklung in Verbindung mit der Geschichte gebracht. Die Interdependenz der Ordnungen wird postuliert, durch zahlreiche Beispiele dokumentiert, aber sie bleibt eine historische Feststellung und hat keinen theoretischen Charakter. 967

Zum Zweiten bereitet auch die Wirtschaftsordnung konzeptionelle Probleme. Eucken führt sie mit dem Denken in Ordnungen ein, und zwar als Kant’sches a priori Urteil, worunter Kategorien zu verstehen sind, „deren Wahrheit unmittelbar einsichtig sein sollte, die aber gleichwohl weder logisch zu beweisen sein dürfen noch irgendwelche Erfahrung in sich aufnehmen dürfen. 968 Kant’sche a priori Urteile sind praktische Wahrheitsbegriffe, die nur durch Sinneserfahrung gewonnen werden. Damit wollte Eucken die Antinomie zwischen historischer und theoretischer Erforschung von Wirtschaftsphänomenen überwinden sowie „ein endgültiges Fazit zum Konflikt zwischen Kontingenzdenken und theoretischem Absolutheitsanspruch formulieren“. 969 Doch Euckens Wirtschaftsordnung ist kein Kant’sches a priori Urteil, sondern ein intellektuelles Konstrukt, das ganz offensichtlich theoretische Begriffe erfordert. 970 Daher lässt sie auch keine spontane Beobachtung der wirtschaftlichen Realität zu. 971

Notes
965.

In der Theoretical History führt Smith aus : „(a) The mode of subsistence that unites men into collective social existence determines the nature of the society with its particular structure of property, and correlated social 'orders' and 'classes'. (b) There is a close relation between the type of property relations established and the juridical and political system that supports it. (c) The society has continuously advanced through successive stages, the transition arising through changes in conditions of production and exchange.“ Bharadwaj [1991: 16].

966.

Herrmann-Pillath [1987: 38].

967.

Streit [1992: 692].

968.

Cassel [1968: 25].

969.

Herrmann-Pillath [1987: 37].

970.

Albert [1984: 44].

971.

Amonns Kritik in Meyer [1989: 36-51].